Unter einer wolke matten Edelstahls
Das Musée des Confluences (Museum der Zusammenflüsse) hat seinen Namen drei unterschiedlichen Gegebenheiten zu verdanken. So hat es etwa neben seiner geografischen Lage am Zusammenfluss von Rhône und Saône, ganz am Ende der Lyoner Halbinsel, das Erbe mehrerer musealer Institutionen angetreten, die im Laufe der Zeit zusammengewachsen sind. Darüber hinaus besteht der ihm zugewiesene wissenschaftliche Auftrag darin, den „Zusammenfluss“ zahlreicher Wissensgebiete und Disziplinen zu organisieren, um von den Ursprüngen des Lebens bis zur Formierung moderner Gesellschaften und selbst von den jeweils existierenden Jenseitsvorstellungen ein großangelegtes, zusammenhängendes Bild zu entwerfen. Das beträchtliche Spektrum des hier erforschten Wissensfeldes stützt sich auf geschichtliche Sammlungen, die in Abhängigkeit zum Vermächtnis und den jeweiligen Initiativen Bereiche wie unter anderem Paläontologie, Zoologie, Mineralogie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte miteinander in Beziehung setzen.
Die erste Sammlung geht auf das Kuriositätenkabinett der Gebrüder Gaspard de Liergues und Balthasar de Monconys zurück, das im 17. Jahrhundert zusammengestellt und später von Jérôme Pestalozzi, Arzt im Hôtel-Dieu, im darauffolgenden Jahrhundert erweitert wurde. Dieser Bestand bildete den Grundstock für das erste im Jahr 1777 von der Stadt Lyon eröffnete Naturkundemuseum, das daraufhin im Laufe des 19. Jahrhundert mithilfe der in den Kolonien und auf Forschungsreisen erworbenen Sammelgegenständen seine Weiterentwicklung erfuhr. Hinzu gesellte sich dann schließlich auch das Erbe von Émile Guimet, dessen im Jahr 1879 gegründetes und zehn Jahre später nach Paris verlagertes Museum der Weltreligionen das Gebäude am Boulevard des Belges als Stiefkind zurückließ.
Der Bürgermeister Edouard Herriot ließ daraufhin 1914 hier ein Naturkundemuseum einrichten und ernannte den Lyoner Industriellen, der die 3.000 Objekte, die sich zum damaligen Zeitpunkt noch in seinem Besitz befanden, der Sammlung beisteuerte, zu seinem Direktor. Die Rede ist hier vom Musée Guimet d’Histoire Naturelle, das 2007 seine Tore endgültig schloss, um sich nun unter dem Dach des Musée des Confluences in dem dazu passenden Rahmen erneut entfalten und vergrößern zu können.
Eine organische Ebene
Das neue Museum wurde mitsamt seinem historischen Kontext vom Generalrat (Conseil général) des Départements Rhône, der sich trotz aller Widrigkeiten im Zuge der Entstehung unermüdlich für das Projekt einsetzte, getragen und sieht sich voll und ganz mit seiner Region verwurzelt. Mit seinem Konglomerat aus Naturwissenschaften, Mensch und Gesellschaft zielt es darauf ab, seine Reichtümer (mehr als 2 Millionen
Ausstellungsstücke inklusive der im Rahmen des Projektes erworbenen Objekte) zu teilen und die breite Öffentlichkeit mit den Wissenschaften auszusöhnen.
Um dieses Ziel zu erreichen, versteht es sich ebenso wie sein Forschungsgegenstand als Lebewesen und nimmt in diesem Sinne am lokalen Leben teil. Nicht ganz ohne Hintergedanken verliehen die Gestalter dem Bauwerk ein offensichtlich organisches Erscheinungsbild nach dem Vorbild der vorzeitlichen Kreaturen, deren gewaltige Fossilien in den Räumlichkeiten der Dauerausstellung thronen. Auf Beinen errichtet
und flusswärts gewandt, gleicht der Bau einem riesenhaften Tier, das wassernah gemächlich das Ufer abgrast.
So sehr das Bauwerk auch seine organische Ebene einfordern mag, und somit allem Lebendigen zu huldigen scheint, zieht der Architekt Wolf Prix – mittlerweile alleiniger Vertreter des Büros Coop Himmelb(l)au – es allerdings vor, auf die auf die Transparenz des Wissens und die Undurchsichtigkeit des Unbekannten verweisenden Begrifflichkeiten „Kristall“ und „Wolke“ einzugehen. Ihre Zusammensetzung bildet den Körper dieses Kolosses, der sich von seinem Sockel abhebt, um einer überdachten Terrasse über dem Zusammenfluss Raum zu geben. Hierbei stellt das unter der 2000 m2 großen Verglasungsfront liegende Foyer den „Kristall“ und die Ausstellungsräume, die sich unter zenitaler Beleuchtung auf zwei Etagen zu beiden Seiten einer Galerie auf 11.000 m2 erstrecken, sowie die im Dachgeschoss untergebrachte Verwaltung und das am höchsten Punkt des Gebäudes eingerichtete Café die „Wolke“ dar. Im Sockel, auf dem diese beiden Teile ruhen, befinden sich auf etwa 9000 m2 zwei Auditorien, Empfangs- und Vermittlungsräume, das Museumslager sowie die Technikräume. Und schließlich wird das Gebäude von einer öffentlichen Parkanlage – ebenfalls ein Entwurf des österreichischen Architekturbüros – eingefasst, die sich um das Museum herum auf 2,5 Hektar über die Inselspitze erstreckt.
Stahlskelette
Die Konstruktion steht ganz im Einklang mit den zuvor verwendeten Metaphern. Der „Kristall“ ist eine beeindruckende Großverglasung, deren mit zierlichen Kurven versehenes Metallgerüst eine Höhe von 40 m erreicht. Er stützt sich auf eine Art zentralen Trichter, der den Namen „Brunnen der Schwerkraft“ trägt. Eine Rampe windet sich rund um die Glas- und Stahlskulptur und führt schließlich bis zum Eingang der „Wolke“, dem Corpus des Museums. Drei Hauptsäulen und zwölf Pfeiler stützen die gewaltige Masse, eine 6.600 Tonnen schwere Stahlkonstruktion mit seinen 25 Tonnen maschinengeschweißten Einheiten und Balken mit einer Spannweite von 27 m. Dieses gigantische Stahlskelett, dessen Umsetzung deutlich in den Zuständigkeitsbereich des Bauingenieurwesens fiel, wird vollständig verdeckt durch die Innenverschalung
sowie durch die Gebäudehülle, die sich an die ungebändigten Konturen der Konstruktion schmiegt. Der Betonsockel, der im Einklang mit dem umgebenden Baugrund errichtet wurde, ruht auf einer tief in den Auenboden verankerten, dichten Ansammlung von Mikropfählen.
Edelstahlgehäuse oder Wolke
Der kristallklaren Transparenz des Foyers folgt die Undurchsichtigkeit des Museums, das in sich die Ausstellungsräume birgt – konzipiert im Sinne szenografischer und modulierbarer „Blackboxes“. Diese Anordnung spielt sich unter einer Hülle ab, die sich gleich einem Kumulonimbus diffus und bewegt ausnimmt und zur Verschmelzung des Bauwerks mit seiner vom Zusammenfluss geprägten Umgebung beiträgt.
Die Verkleidung dieser schwebenden, facettenreichen Masse musste unausweichlich hell und entsprechend den Launen des Himmels wandlungsfähig sein. Dank der Wahl eines rostfreien Edelstahls wurde es möglich, die gewünschte „Wolke“ zu verwirklichen. Das samtige und homogene Erscheinungsbild der Oberfläche wurde mittels einer Bearbeitung mit Mikrokugelstrahlen auf Uginox Mat Edelstahlblech der Stahlsorte 316L erzielt. Durch diese Oberflächenausführung gelingt es, die gewichtige Masse des Museums in der aquatischen Atmosphäre dieses durch die Flüsse geprägten Standortes aufzulösen.
17.000 unterschiedliche, zwecks tadellosem Halt aus 3 mm dicken Blechen geschnittene Stahlplatten in 37 verwandten Formaten bedecken die 20.000 m2 Gesamtoberfläche der Gebäudehülle einschließlich der Sturzunterseite des Bauwerks sowie der Rück- und Umläufe im Inneren des Foyers mit einem Gewicht von insgesamt etwa 600 Tonnen. Die Verkleidung verleiht dem Gebäude in Verbindung mit seiner vordefinierten Form einen flüchtigen Aspekt, bisweilen unter dem Gehäuse offenbart, bisweilen im Licht aufgelöst – Koloss und Wolke zugleich.
Das Lyonnais, eine Gegend voller Kontraste
Das Musée des Confluences ist ein Folgeprojekt anderer, zuvor bereits umgesetzter Bauvorhaben im Stadtviertel La Confluence, die aufgrund ihrer Edelstahlfassaden auf sich aufmerksam machten, wie etwa
das vom Architekturbüro Fuksas konzipierte Wohngebäude Lyon Island und das in den „Monolithe“ integrierte Bürogebäude von Manuelle Gautrand. Für diese beiden Gebäude wählten die Architekten Uginox
Bright, einen glänzenden Werkstoff, in dem sich die Umgebung spiegelt und im Wechsel der Jahreszeiten und Wetterlagen sein Aussehen verändert.
Auf der anderen Seite der Rhône, im Stadtviertel Gerland, ist das Dach der École Normale Supérieure de Lyon, entworfen von Henri und Bruno Gaudin, mit einer Verkleidung aus Uginox Top in matter
Oberflächenausführung versehen und ist auch nach fünfzehn Jahren noch immer auf der Höhe der Zeit.
Und noch ein wenig weiter entfernt in Raum und Zeit thront seit zwanzig Jahren das galloromanische Museum in Saint-Romain-en-Gal, konzipiert vom Architekturbüro Chaix & Morel, am Ufer der Rhône unter
seinen Kassettenprofilen aus Uginox Touch.